Die Partei, die Rechte aus einem nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster ableitet, trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie Inhaberin des Rechts nach Art. 14 Abs. 1 und 3 GGV ist. Zu ihren Gunsten streitet keine Vermutung für die Inhaberschaft, wenn sie das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster erstmalig der Öffentlichkeit innerhalb der Union im Sinne des Art. 11 GGV zugänglich gemacht hat.

Nach Art. 14 Abs. 1 GGV steht das Recht auf das Geschmacksmuster dem Entwerfer oder seinem Rechtsnachfolger zu. Wird das Geschmacksmuster jedoch von einem Arbeitnehmer in Ausübung seiner Aufgaben oder nach Weisungen seines Arbeitgebers entworfen, so steht das Recht auf das Geschmacksmuster nach Art. 14 Abs. 3 GGV grundsätzlich dem Arbeitgeber zu. Abweichendes gilt, wenn vertraglich etwas anderes vereinbart worden ist oder die anwendbaren innerstaatlichen Rechtsvorschriften anderes vorsehen.
Im Streitfall kann der Klägerin das Recht auf das durch Offenbarung entstandene Klagemuster nur nach Art. 14 Abs. 3 GGV zustehen, weder hat sie selbst das Muster entworfen noch ist sie Rechtsnachfolgerin des Entwerfers. Die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GGV sind nach den allgemeinen Regeln von demjenigen zu beweisen, der sich auf ihr Vorliegen beruft. Das ist vorliegend die Klägerin.
Für die Frage, wer Inhaber des nicht eingetragenen Geschmacksmusters ist, kommt es nicht darauf an, wer es erstmalig der Öffentlichkeit innerhalb der Europäischen Union im Sinne des Art. 11 GGV zugänglich gemacht hat. Der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung ist nichts dafür zu entnehmen, dass das Recht an dem nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster nicht dem Entwerfer, sondern demjenigen zusteht, der es der Öffentlichkeit innerhalb der Union erstmalig zugänglich gemacht hat.
Zugunsten desjenigen, der das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster erstmals im Sinne des Art. 11 GGV zugänglich gemacht hat, streitet auch keine Vermutung, rechtmäßiger Inhaber zu sein.
Eine solche Vermutung ergibt sich nicht aus Art. 17 GGV. Die Bestimmung sieht eine Vermutung nur zugunsten desjenigen vor, der als Inhaber eingetragen oder vor der Eintragung in dessen Namen die Anmeldung eingereicht worden ist.
Die Vorschrift ist auf das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster auch nicht entsprechend anwendbar. Sie knüpft an den für Registerrechte typischen Anmelde- und Eintragungsvorgang an, den es bei dem nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster nicht gibt. Der Anmeldung und Eintragung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters kann die Offenbarung im Sinne des Art. 11 GGV in ihrer Bedeutung auch nicht gleichgesetzt werden. Die Offenbarungshandlung erlaubt keinen Rückschluss auf die Inhaberschaft an dem nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster, weil sie von jedem beliebigen Dritten auch von einem Händler, der die dem Klagemuster entsprechenden Waren in sein Sortiment aufnimmt vorgenommen werden kann. Die Offenbarungshandlung nach Art. 11 GGV setzt nicht die Angabe desjenigen voraus, der die Rechte an dem nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster in Anspruch nimmt. Insoweit unterscheidet sich Art. 11 GGV von den Vermutungstatbeständen des § 10 UrhG und des Art. 15 RBÜ, die eine Urheberbezeichnung erfordern.
Eine Vermutungswirkung ergibt sich auch nicht aus Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GGV. Danach haben die Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte in einem Verfahren wegen Verletzung eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters von seiner Rechtsgültigkeit auszugehen, wenn der Rechtsinhaber Beweis für das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 11 GGV erbringt und angibt, inwiefern sein Geschmacksmuster Eigenart aufweist. Die Bestimmung begründet nach ihrem klaren Wortlaut nur eine Vermutung für die Rechtsgültigkeit des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters und nicht für dessen Inhaberschaft.
Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht geboten, weil sich im Streitfall keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen zur Auslegung des Unionsrechts stellen, die eine Vorlage erfordern. Zur Verteilung der Beweislast für die Inhaberschaft an einem nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster ist die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig, dass kein Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Rechtsfrage bleibt. Diesem Ergebnis steht auch nicht die Entscheidung der Rechtbank ‘sGravenhage entgegen. Es handelt sich um eine Entscheidung eines erstinstanzlichen Gerichts in einem Verfügungsverfahren, in der Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GGV eine Vermutungswirkung im Hinblick auf die Rechtsinhaberschaft nur beiläufig und ohne weitere Begründung entnommen wird.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. Dezember 2012 – I ZR 23/12