Geschmacksmusterschutz – Klagen in verschiedenen EU-Staaten

Verfolgt der Kläger in getrennten Klagen vor den Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten territorial begrenzten Rechtsschutz aus unterschiedlichen Geschmacksmustern, liegt nicht derselbe Anspruch im Sinne von Art. 27 Brüssel-I-VO vor.

Geschmacksmusterschutz – Klagen in verschiedenen EU-Staaten

Dies entschied jetzt der Bundesgerichtshof im Hinblick auf eine bereits vorgängig in Polen anhängige Geschmacksmusterklage.

Die Brüssel-I-Verordnung ist seit dem Beitritt Polens zur Europäischen Union am 1.05.2004 auch im Verhältnis zwischen Deutschland und Polen anwendbar. Die Voraussetzungen des Art. 27 Brüssel-I-VO sind jedoch nicht gegeben, weil das vorliegende Verfahren und die Klage in Polen nicht denselben Anspruch der Parteien betreffen.

Durch Art. 27 Brüssel-I-VO sollen im Interesse einer geordneten Rechtspflege soweit wie möglich Parallelprozesse vor Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten vermieden werden, in denen Entscheidungen ergehen können, die miteinander “unvereinbar” im Sinne von Art. 34 Nr. 3 Brüssel-I-VO sind und deshalb im jeweils anderen Staat nicht anerkannt werden. Für die Unvereinbarkeit zweier Entscheidungen im Sinne von Art. 34 Nr. 3 Brüssel-I-VO und die Frage, ob in zwei Prozessen derselbe Anspruch anhängig ist, kommt es nicht auf die formale Identität der Klagen, sondern darauf an, ob der Kernpunkt der Klagen derselbe ist. Bei der danach gebotenen weiten Auslegung des Tatbestandsmerkmals “desselben Anspruchs” im Sinne von Art. 27 Brüssel-I-VO sind das jeweilige Klagebegehren in den Rechtsstreitigkeiten und der Sachverhalt sowie die Rechtsvorschriften, auf die die Klagen gestützt werden, zu berücksichtigen.

Die Verschiedenheit der Ansprüche im Sinne von Art. 27 Brüssel-I-VO folgt vorliegend aus dem Territorialitätsprinzip, nach dem sich der Schutzbereich eines nationalen Geschmacksmusters auf das jeweilige Schutzland beschränkt.

Die Klage vor den polnischen Gerichten betraf das polnische Geschmacksmuster Nr. 6751, dessen Schutz auf Polen beschränkt ist. Der vorliegende Rechtsstreit hat den auf das Inland beschränkten Schutz der Klagemuster 23 bis 25 des internationalen Sammelgeschmacksmusters DM/064576 zum Gegenstand. Danach liegen beiden Verfahren unterschiedliche Klagebegehren (territorial begrenzter Rechtsschutz in Polen oder in Deutschland) und verschiedene Sachverhalte (Verletzung unterschiedlicher Schutzrechte) zugrunde. Im Hinblick auf die unterschiedliche Schutzländer betreffenden Geschmacksmuster besteht auch nicht die Gefahr, dass die Entscheidungen in den beiden in Rede stehenden Klageverfahren “unvereinbar” im Sinne von Art. 34 Nr. 3 Brüssel-I-VO sind und im jeweils anderen Staat nicht anerkannt werden.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. März 2011 – I ZR 211/08