Da der einem Miterfinder zustehende Anspruch auf Einräumung einer Mitberechtigung an einem Patent ein bloß wesensgleiches Minus zum Anspruch des Miterfinders auf Übertragung des Vollrechts darstellt [1], steht der Zulässigkeit der Erhebung einer Klage auf Einräumung einer Mitberechtigung im Falle einer bereits zwischen den Parteien rechtshängigen, auf Übertragung des Vollrechts gerichteten Klage der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit entgegen (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

Die Klarstellung eines Miterfinders, seine Vindikationsklage sei exklusiv auf die Übertragung des Vollrechts gerichtet, hindert das Gericht mit Blick auf § 308 Abs. 1 ZPO nur dann daran, ihm das Minus zuzusprechen (d.h. den Beklagten unter Klageabweisung im Übrigen zur Einräumung einer Mitberechtigung am Patent zu verurteilen), wenn der Kläger an der betreffenden Einschränkung ein sachlich anerkennenswertes Interesse hat. Ein solches anerkennenswertes Interesse liegt nicht allein in dem Umstand begründet, dass mit der bloßen Mitberechtigung im Vergleich zum Vollrecht weniger materiell-rechtliche Kompetenzen einhergehen.
Ist zwischen denselben Parteien eine Klage auf Übertragung des Vollrechts rechts-hängig, fehlt es jedenfalls am Rechtsschutzbedürfnis für die Erhebung einer separaten Klage auf Einräumung einer Mitberechtigung, da das letztgenannte Klageziel einfacher und kostengünstiger erreicht werden kann, indem die Frage der Mitberechtigung in dem bereits rechtshängigen Rechtsstreit geklärt wird.
Gemäß der in § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO geregelten Rechtshängigkeitssperre darf die rechtshängige Streitsache unter denselben Parteien nicht gleichzeitig ein weiteres Mal bei demselben oder einem anderen Gericht anhängig gemacht werden. Die doppelte Rechtshängigkeit führt zur Abweisung der zweiten Klage als unzulässig, wobei es allein darauf ankommt, welche der beiden Klagen zuerst rechtshängig geworden ist [2]. Die bereits bestehende Rechtshängigkeit stellt eine negative Prozessvoraussetzung bzw. ein Prozesshindernis dar, die/das in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachtenist [3].
Weil die Rechtshängigkeitssperre gem. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO in subjektiver Hinsicht denselben Umfang hat wie die materielle Rechtskraft, wirkt sie auch gegenüber denjenigen Personen, auf die sich die materielle Rechtskraft nach §§ 325 ff. ZPO erstreckt [4]. Anerkanntermaßen muss im Falle einer Prozessführung durch eine Partei kraft Amtes der Rechtsträger dementsprechend ein das verwaltete Vermögen betreffendes Urteil für und gegen sich gelten lassen [5]. Namentlich gilt dies für gerichtliche Entscheidungen gegenüber dem Insolvenzverwalter (§ 80 InsO) [6], d.h. ein Urteil, das in einem aufgenommenen Verfahren gegenüber dem Verwalter ergeht, bewirkt Rechtskraft auch gegenüber dem Schuldner sowie umgekehrt.
Das Erfordernis der Identität der Streitgegenstände deckt sich in seiner Reichweite mit dem aus der materiellen Rechtskraft folgenden Wiederholungsverbot („ne bis in idem“). Zwar begründet eine bloße Identität mit einer auch im Parallelprozess auftretenden Vorfrage – ebenso wenig wie die bloße Gefahr kollidierender Entscheidungen – noch keine unzulässige doppelte Rechtshängigkeit [7]. Die objektive Reichweite der Rechtshängigkeitssperre hängt vielmehr vom auch hier maßgeblichen allgemeinen Streitgegenstandsbegriff ab, so dass objektive Identität gegeben ist, wenn Klageantrag und Lebenssachverhalt im zweiten mit dem ersten Prozess übereinstimmen, während beispielsweise unterschiedliche Anträge bei identischem Sachverhalt das Eingreifen der Rechtshängigkeitssperre ausschließen [8]
Richtig ist zwar, dass das Gericht gemäß § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht befugt ist, einer Partei etwas zuzusprechen, was diese nicht beantragt hat. Im vorliegenden Zusammenhang muss allerdings beachtet werden, dass der einem Miterfinder zustehende materiell-rechtliche Anspruch auf Einräumung einer Mitberechtigung [9] seiner Rechtsnatur nach ein bloß wesensgleiches Minus zu dem Anspruch auf Übertragung des Vollrechts darstellt [10]. Im Ergebnis nicht anders verhält es sich mit dem Anspruch auf Übertragung des Vollrechts im Verhältnis zum Anspruch auf Einräumung einer Mitberechtigung [11]. Das Gericht ist mit Blick auf diese Rechtsnatur des Anspruchs auf Einräumung einer Mitberechtigung als wesensgleiches Minus zum Anspruch auf Vollrechtsübertragung daher grundsätzlich nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, einen Anspruch auf Einräumung einer Mitberechtigung zu prüfen, wenn sich die in erster Linie begehrte Vollrechtsübertragung als zu weitgehend erweist [12]. Ebenso ist es im Zivilprozessrecht einhellige Meinung, dass der in § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO enthaltene Grundsatz „ne in ultra petita“ das Gericht zwar hindert, ein Maius oder ein Aliud im Vergleich zum Antrag zuzusprechen, nicht aber ein Minus zuzuerkennen [13]. Dementsprechend ist ein Klageantrag im Regelfall nicht nur auf die Verurteilung des Beklagten im Sinne eines „alles oder nichts“ gerichtet, sondern auch auf eine Verurteilung auf ein Weniger, wenn ein Mehr nicht erreichbar ist. Dies ist im Allgemeinen so eindeutig, dass Zweifel nicht aufkommen können und der Richter – anders als in 1. Instanz des Parallelverfahrens geschehen – auch nicht verpflichtet ist, entsprechende Fragen an einen Kläger zu stellen [14].
Im vorliegenden Falle weist das Klägerverhalten gerade die Besonderheit auf, dass die Klägerin im Parallelverfahren ausdrücklich erklärt hat, ausschließlich die volle Verurteilung der Beklagten und keine Verurteilung zur Einräumung einer Mitberechtigung zu begehren. Wie jedoch solche auf die Durchsetzung einer Maximalforderung gerichtete Klagebegehren unter gleichzeitiger Ausklammerung eines im Klageantrag an sich zugleich enthaltenen Minus prozessual zu handhaben sind, wird in Rechtsprechung und Literatur keineswegs einheitlich beurteilt. Zwar wird vielfach in der Tat vertreten, dass in einem solchen Falle der Wille des Klägers zwingend beachtet werden müsse und daher die Zuerkennung des an sich miterfassten Minus zu unterbleiben habe [15]. Demgegenüber wird von anderen eine entsprechende Bindung generell verneint [16] oder vom Bestehen eines entsprechenden sachlichen Interesses abhängig gemacht [17].
Das Oberlandesgericht Düsseldorf schließt sich der Auffassung an, wonach jedenfalls ohne ein sachlich anerkennenswertes Interesse des Klägers die Beschränkung der Prüfungskompetenz des Gerichts auf die Berechtigung des Klagebegehrens als Ganzes unter generellem Ausschluss eines Teilobsiegens unbeachtlich ist. Dafür spricht zunächst, dass die Ablehnung eines teilweisen Zusprechens in aller Regel dazu führt, dass auf diese Weise der Streit nur unvollständig beseitigt wird, weil im Falle einer Klageabweisung dann offen bliebe, ob überhaupt nichts oder zumindest ein Minus geschuldet ist, und daher kein endgültiger Rechtsfrieden geschaffen würde [18]. Dabei verkennt das Oberlandesgericht nicht, dass u.a. die Regelung des § 308 ZPO die grundsätzliche Dispositionsfreiheit der Parteien in Bezug auf den Streitgegenstand zum Ausdruck bringt. Diese wird allerdings zum Einen nicht in jeder Hinsicht gewährt, sondern § 308 ZPO verbietet ausdrücklich nur die Zuerkennung eines Maius bzw. Aliuds. Zum Anderen ist der im Zivilprozess geltende Grundsatz des Gebotes der Prozessökonomie zu beachten, weshalb die willkürliche, mittels einer gekünstelten Einschränkung der Klageanträge erzwungene Führung mehrerer Prozesse über denselben Lebenssachverhalt in mehreren Einzelverfahren zu unterbinden ist, soweit nicht ausnahmsweise ein sachliches Interesse an einer solchen Vorgehensweise besteht. Wäre nämlich z.B. eine Beschränkung des Antrages auf eine Vollrechtsübertragung ohne jedwedes sachliches Interesse möglich, könnte die Dispositionsfreiheit des Klägers derart auf die Spitze getrieben werden, dass eine Vielzahl von Prozessen über denselben Lebenssachverhalt geführt werden könnte, in denen (simultan oder sukzessive) unterschiedliche, ganz konkret bezifferte Anteile am Vollrecht bzw. an einer Gesamtforderung exklusiv zu prüfen wären (z.B. trotz einheitlichen Lebenssachverhaltes: 1. Prozess mit dem exklusiven Begehren auf Übertragung des Vollrechts; 2. Prozess mit dem exklusiven Begehren der Einräumung einer Mitberechtigung in Höhe von 4/5 am Vollrecht; 3. Prozess mit exklusivem Begehren der Übertragung von 3/5 am Vollrecht, usw.). Für eine derartige mehrfache Inanspruchnahme der Ressourcen der Justiz für letztlich ein- und dasselbe qualitative Begehren, das bloß willkürlich und künstlich in quantitative Anteile gespalten wird, besteht im Allgemeinen auch unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich geschützten Justizgewährungsanspruches kein anerkennenswertes Interesse.
Sollte entgegen den vorstehend erläuterten Erwägungen des Oberlandesgerichts gleichwohl von unterschiedlichen Streitgegenständen auszugehen und deshalb keine anderweitige Rechtshängigkeit gegeben sein, wäre die Klage gleichwohl als unzulässig abzuweisen, weil es jedenfalls am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt, neben dem noch rechtshängigen Parallelverfahren betreffend die Übertragung des Vollrechts noch einen weiteren Rechtsstreit anhängig zu machen, in dem nun doch die Einräumung einer Mitberechtigung begehrt wird.
Zwingende Prozessvoraussetzung für jede Klage ist ein allgemeines Rechtsschutzinteresse [19] bzw. Rechtsschutzbedürfnis [20], also ein schutzwürdiges Interesse an der gerichtlichen Geltendmachung des eingeklagten Rechts. Grundsätzlich hat jeder Rechtssuchende einen öffentlich-rechtlichen Anspruch darauf, dass die staatlichen Gerichte sein Anliegen sachlich prüfen und darüber entscheiden [21]. Bei Leistungsklagen ergibt sich ein Rechtsschutzbedürfnis deshalb regelmäßig schon aus der Nichterfüllung des behaupteten materiellen Anspruchs [22]. Es bedarf daher besonderer Gründe, die ausnahmsweise die Verneinung eines Rechtsschutzbedürfnisses rechtfertigen. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt insbesondere dann, wenn das verfolgte Begehren auf einem einfacheren Weg zu erlangen ist [23]. Hierbei ist die Zweckmäßigkeit beider prozessualer Alternativen zu vergleichen. Auf einen verfahrensmäßig unsicheren Weg darf der Rechtssuchende nicht verwiesen werden. Ein schnelleres und billigeres Mittel des Rechtsschutzes lässt das berechtigte Interesse für eine Klage nur entfallen, sofern es wenigstens vergleichbar sicher oder wirkungsvoll alle erforderlichen Rechtsschutzziele herbeiführen kann [24].
Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 9. Oktober 2014 – I ‑15 U 27/14
- BGH, GRUR 2006, 747 – Schneidbrennerstromdüse[↩]
- vgl. Becker-Eberhard, in: MünchKomm, ZPO, 4. A., 2013, § 261 Rn 42[↩]
- BGH, NJW 2001, 3713 m.w.N.[↩]
- RGZ 52, 260; OLG Koblenz, NJW-RR 1990, 1023; Bacher, in: Beck-OK/ZPO, § 261 Rn 17; Zöller/Greger, ZPO, 30. A., § 261 Rn 8a[↩]
- Gottwald, in: MünchKomm/ZPO, a.a.O., § 325 Rn 50; Gruber, in: BeckOK/ZPO, § 325 Rn 38.1[↩]
- Gottwald, in: MünchKomm/ZPO, a.a.O., § 325 Rn 50; Schumacher, in: MünchKomm/InsO, § 85 Rn 17[↩]
- BGH NJW-RR 2010, 640, 641; Zöller/Greger, a.a.O., § 261 Rn. 10[↩]
- BGHZ 7, 268, 271 = NJW 1952, 1375; Becker-Eberhard, in: MünchKomm/ZPO, a.a.O., § 261 Rn 55 ff.[↩]
- vgl. dazu BGH, GRUR 1971, 210, 213 – Wildbissverhinderung; BGHZ 73, S. 342 f. = GRUR 1979, 540 – Biedermeiermanschetten; vgl. Benkard/Melullis, PatG, 10. A., § 6 Rn 34a; Busse/Keukenshrijver, PatG, 7. Aufl., § 6 Rdnr 40[↩]
- GRUR 2001, 226 – Rollenantriebseinheit; BGHZ 167, 166 = GRUR 2006, 747 – Schneidbrennerstromdüse[↩]
- BGH, GRUR 2006, 747 – Schneidbrennerstromdüse unter Hinweis auf die Prozessökonomie und den Umfang des auf Übertragung des Vollrechts gerichteten Übertragungsanspruchs; ebenso Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. A., Bd. 4, § 308 Rn 17; Thole, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 5. A., § 308 Rn 9[↩]
- vgl. BGH, GRUR 2006, 747 – Schneidbrennerstromdüse[↩]
- statt aller: Musielak, in: MünchKomm/ZPO, § 308 Rn 8 m.w.N.[↩]
- vgl. Musielak, in: MünchKomm/ZPO, § 308 Rn 8 m.w.N.[↩]
- so Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 71. A., § 308 Rn 7; Fenge, in: JR 1974, 68, 69 (zur Frage einer Zug-um-Zug-Verurteilung anstatt uneingeschränkter Verurteilung); Musielak/Musielak, ZPO, 11. A., § 308 Rn 6; derselbe, in: MünchKomm/ZPO, 4. A., § 308 Rn 8; Rensen, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. A., § 308 Rn 13[↩]
- Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. A., Bd. 4, § 308 Rn 21[↩]
- Saenger, ZPO, Handkommentar, 4. A., § 308 Rn 6[↩]
- vgl. Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. A., Bd. 4, § 308 Rn 21[↩]
- BGH NJW-RR 1989, 263, 264[↩]
- BGH NJW 1999, 1337, 1338[↩]
- BGH NJW 1996, 2036, 2037[↩]
- BGH NJW 2013, 464 Rn 51; NJW 2010, 1135 Rn 7[↩]
- BGH NJW-RR 2010, 19 Rn 20[↩]
- BGH NJW 1994, 1351, 1352; NJW-RR 2009, 1148 Rn 6[↩]