Eine für die Ausführbarkeit hinreichende Offenbarung gegeben, wenn der Fachmann ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage ist, die Lehre des Patentanspruchs auf Grund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen am Anmelde- oder Prioritätstag praktisch so zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht wird[1].

Der hinreichend vollständigen und deutlichen Offenbarung der Erfindung steht nicht entgegen, dass dem Fachmann in der Streitpatentschrift nicht mit hinreichender Deutlichkeit und Vollständigkeit offenbart sein soll, wie eine erfindungsgemäße Gewindeverbindung ohne Materialumformung entstehen kann. Selbst wenn diese – von dem Beklagten bestrittene – Annahme als zutreffend unterstellt wird, folgt daraus nicht, dass es auch an einer hinreichend deutlichen und vollständigen Offenbarung der in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten Erfindung fehlt. Denn Merkmal 5.2 fordert lediglich, dass die Gewindeverbindung durch Eindrehen der Knochenschraube in einem bestimmten Winkel gebildet wird, während offen bleibt, ob es dabei zu einer Materialumformung kommt oder nicht.
In der darin liegenden Verallgemeinerung kann kein Verstoß gegen das Gebot deutlicher und hinreichender Offenbarung gesehen werden. Vielmehr ist es insoweit grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Patentanspruch nicht auf die in der Patentschrift ausführbar offenbarten Ausführungsformen beschränkt wird, sondern diese in gewissem Umfang verallgemeinert[2]. Daher genügt es in aller Regel, wenn dem Fachmann in der Patentschrift ein nacharbeitbarer Weg zur Ausführung der beanspruchten Erfindung aufgezeigt wird[3]. Eine generalisierende Formulierung in einem Patentanspruch verstößt erst dann gegen das Gebot deutlicher und vollständiger Offenbarung, wenn sie den durch das Patent geschützten Bereich über die erfindungsgemäße, dem Fachmann in der Beschreibung an die Hand gegebene Lösung hinaus verallgemeinert[4]. Das hat der Bundesgerichtshof für einen Fall angenommen, in dem der geschützte Gegenstand des Patentanspruchs durch offene Bereichsangaben für physikalische Eigenschaften eines Stoffs bestimmt wurde, während der Beitrag des Patents zum Stand der Technik nicht darin lag, den Stoff erstmals zur Verfügung zu stellen, sondern sich darin erschöpfte, einen neuen Bereich von Stoffeigenschaften zugänglich zu machen[5]. Demgegenüber geht der Gegenstand des Streitpatents nicht über dessen Beitrag zum Stand der Technik hinaus, der allgemein darin liegt, bei Fixationssystemen für Knochen eine Gewindeverbindung zugänglich zu machen, die durch Eindrehen der Knochenschraube in einem vorbestimmten Winkel von einem vorgeformten Gewinde gebildet wird.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. Oktober 2014 – X ZR 168/12
- BGH, Urteil vom 04.10.1979 – X ZR 3/76, GRUR 1980, 166, 168 Doppelachsaggregat; Urteil vom 11.05.2010 – X ZR 51/06, GRUR 2010, 901 Rn. 31 Polymerisierbare Zementmischung[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 11.09.2013 – X ZB 8/12, BGHZ 198, 205 Rn. 15 Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren[↩]
- BGH, aaO Rn. 36 – Polymerisierbare Zementmischung; aaO Rn. 17 Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren[↩]
- BGH, aaO Rn. 18 – Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 25.02.2010 – Xa ZR 100/05, GRUR 2010, 414 Rn. 24 Thermoplastische Zusammensetzung[↩]