Altersversorgungsleistungen des Europäischen Patentamts – und ihre Besteuerung

Die Altersversorgungsleistungen, die ein ehemaliger Bediensteter des Europäischen Patentamts von dem Reservefonds der Europäischen Patentorganisation bezieht, sind in voller Höhe als Versorgungsbezüge zu versteuern.

Altersversorgungsleistungen des Europäischen Patentamts – und ihre Besteuerung

Das Europäische Patentamt (EPA) ist gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. a des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) vom 05.10.1973[1] ein Organ der Europäischen Patentorganisation (EPO), die durch das EPÜ gegründet worden ist. Die EPO besitzt in jedem Vertragsstaat die weitestgehende Rechts- und Geschäftsfähigkeit als juristische Person (Art. 5 EPÜ); das EPA als ihr Organ ist selbst nicht rechtsfähig. Nach dem Protokoll über die Vorrechte und Immunitäten der EPO[2] (PPI) genießt die EPO im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit Immunität.

Nach Art. 7 der Versorgungsordnung für das EPA (VersO) hat ein Bediensteter, der mindestens zehn anrechnungsfähige Dienstjahre abgeleistet hat, Anspruch auf ein Ruhegehalt. Die Zahlung der Ruhestandsbezüge erfolgt gemäß Art. 37 Abs. 2 i.V.m. Art. 31 Abs. 1 VersO durch die Organisation, der der Bedienstete zum Zeitpunkt der Beendigung seiner Tätigkeit angehörte. Die Versorgungsleistungen werden zu Lasten des Haushalts dieser Organisation gewährt (Art. 40 Abs. 1 VersO); die Mitgliedstaaten gewährleisten die Erbringung dieser Leistungen gemeinsam (Art. 40 Abs. 2 VersO). Vom Gehalt der Bediensteten wird monatlich ein Beitrag einbehalten (Art. 41 Abs. 1 VersO); dieser belief sich im Jahr 2007 auf 9, 1 % des Gehalts. Dieser Beitrag soll einem Drittel des zur Finanzierung der Versorgungsleistungen insgesamt erforderlichen Beitrags entsprechen (Art. 41 Abs. 3 VersO); die EPO selbst leistete mithin im Jahr 2007 einen weiteren Versorgungsbeitrag von 18, 2 % des Gehalts ihrer Bediensteten. Ein Bediensteter, der vor Erfüllung der zehnjährigen Wartezeit aus dem Dienst ausscheidet, hat Anspruch auf die Auszahlung der von seinem Gehalt einbehaltenen Versorgungsbeiträge zuzüglich Zinsen (Art. 11 VersO).

Die Aktivbezüge der Bediensteten der EPO sind von den staatlichen Einkommensteuern befreit, wobei ein Progressionsvorbehalt zulässig ist (Art. 16 Abs. 1 Sätze 2 und 3 PPI). Im Gegenzug unterliegen diese Aktivbezüge einer eigenen Besteuerung durch die EPO (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 PPI). Diese steuerlichen Regelungen gelten allerdings nicht für Renten und Ruhegehälter, die von der EPO an ehemalige Bedienstete des EPA gezahlt werden (Art. 16 Abs. 2 PPI); diese unterliegen der Einkommensteuer des jeweiligen Wohnsitzstaats. Die Versorgungsempfänger haben gemäß Art. 42 VersO Anspruch auf eine Anpassung der Versorgungsbezüge, die die Einkommensteuerpflicht der Versorgungsbezüge im jeweiligen Mitgliedstaat berücksichtigt (Steueranpassung).

Um das Versorgungssystem durch die Bildung von angemessenen Rücklagen zu sichern, hat die EPO im Rahmen ihrer Gesamtfinanzierung u.a. einen Reservefonds für Pensionen (im Folgenden: Reservefonds) gebildet (Art. 2 Abs. 2 des Statuts der Reservefonds für Pensionen und soziale Sicherheit der EPO -Reservefonds-Statut-). Der Fonds bildet ein zweckgebundenes Sondervermögen der EPO, besitzt aber keine eigene Rechtsfähigkeit. Er wird vom EPA verwaltet (Art. 2 Abs. 1 Reservefonds-Statut). Die Mittel des Fonds werden vom EPA durch Zuweisungen aus dem Haushalt der EPO gebildet. Sie sind getrennt vom übrigen Vermögen der EPO zu verwalten (Art. 3 Abs. 1 Reservefonds-Statut). Die Anlagen des Fonds werden für die Zwecke des Statuts so behandelt, als seien sie Vermögen des Fonds; sie bleiben jedoch stets Vermögen der EPO (Art. 3 Abs. 5 Reservefonds-Statut). Der Haushaltsplan der EPO weist in seinem Teil – I das „Hauptbudget“ und in Teil – II das „Versorgungs- und Sozialversicherungssystem Budget“ aus. Zu den eigenen Mitteln der EPO gehören neben den Einnahmen aus Gebühren, sonstigen Quellen und Rücklagen auch die Mittel des Pensionsreservefonds, der als zweckgebundenes Sondervermögen der EPO zur Sicherung ihres Versorgungssystems durch die Bildung angemessener Rücklagen dient (Art. 38 Buchst. b EPÜ).

Nach Art. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der EPO über die Durchführung des Art. 12 der VersO (DurchfAbk) vom 08.12 1995[3] kann ein Beamter des EPA, der in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung versichert war, die Summe der für ihn gezahlten Beiträge zuzüglich Zinsen auf das Versorgungssystem des EPA übertragen lassen; dies gilt auch für Personen, die in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert worden sind (Art. 3 DurchfAbk). Umgekehrt kann ein aus dem Dienst des EPA ausscheidender Beamter den versicherungsmathematischen Gegenwert seiner dort erworbenen Ruhegehaltsansprüche auf die damalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) übertragen lassen (Art. 2 DurchfAbk).

Die Zahlungen der EPO an den ehemaligen Beschäftigten sind -soweit sie nicht auf der Übertragung der bei der BfA begründeten Rentenanwartschaften beruhen- als Versorgungsbezüge anzusehen.

Die Ruhestandsleistungen der EPO stellen einkommensteuerrechtlich Ruhegelder i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und Versorgungsbezüge i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG dar. Es handelt sich um Ruhegelder aus früheren Dienstleistungen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Abgrenzung zwischen Versorgungsbezügen nach § 19 EStG und Renteneinkünften aus § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG[4] liegen Einkünfte „aus früheren Dienstleistungen“ nur vor, wenn sie dem Steuerpflichtigen aus eben diesem Rechtsgrund zufließen. Um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit kann es sich daher nur handeln, wenn der Steuerpflichtige sie -abgesehen von der erbrachten Dienstleistung- ohne rechtlich ins Gewicht fallenden Eigenbeitrag erhält, also ohne eine Leistung aus seinem Vermögen oder für seine Rechnung.

Wenn -wie im Fall der Bediensteten der EPO- das maßgebende Dienstrecht vorsieht, dass vom Bruttogehalt ein Abzug für Zwecke der Altersvorsorge vorgenommen wird, unterscheidet die höchstrichterliche Rechtsprechung danach, ob ein bereits zugeflossener Gehaltsbestandteil vom Arbeitnehmer für Zwecke der Altersvorsorge eingesetzt wird, so dass es sich zugleich um zugeflossenen Arbeitslohn und um einen Eigenbeitrag des Arbeitnehmers zu seiner Altersvorsorge handelt, oder ob der einbehaltene Gehaltsanteil erst im Versorgungsfall als nachträglicher Arbeitslohn in Form eines Ruhegeldes ausgezahlt wird, was noch nicht während der aktiven Dienstzeit, sondern erst in der Versorgungsphase zum Zufluss von Arbeitslohn führt[5].

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs führen interne Maßnahmen des Arbeitgebers, die dieser trifft, um den Versorgungsanspruch des Arbeitnehmers abzusichern, noch nicht zum Zufluss von Arbeitslohn im Umfang der vom Arbeitgeber für die Altersversorgung zurückgelegten Mittel während der aktiven Dienstzeit. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber innerhalb seines Vermögens Mittel für die Altersversorgung seiner Arbeitnehmer zweckbindet und separiert. Anders stellt es sich nur dann dar, wenn der Arbeitgeber mit seinen Leistungen dem Arbeitnehmer einen unmittelbaren und unentziehbaren Rechtsanspruch gegen einen Dritten -z.B. Versicherungsschutz- verschafft[6].

Auf dieser rechtlichen Grundlage hat der Bundesfinanzhof zu dem bis zum 30.06.1974 geltenden Pensionssystem der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) entschieden, dass ein Gehaltsabzug, der einem persönlichen Konto gutgeschrieben wird, über das der Bedienstete zur Leistung bestimmter Vorsorgeaufwendungen oder zur Finanzierung des Kaufs oder von baulichen Veränderungen eigengenutzter Wohnungen verfügen kann, spätestens dann als zugeflossen gilt, wenn der Bedienstete das Kapital als Einzahlung in ein anderes Versorgungssystem verwendet. Soweit die späteren Bezüge aus diesem anderen Versorgungssystem auf der Einzahlung beruhen, sind sie aus zugeflossenem Einkommen finanziert und nicht mehr als Arbeitslohn anzusehen[7].

Demgegenüber hat der Bundesfinanzhof zum Pensionssystem der NATO entschieden, dass es sich um Versorgungsbezüge handelt. Tragend hierfür war, dass die NATO nicht über eine rechtlich von ihr getrennte Versorgungseinrichtung verfügte, sondern die Altersversorgungsbeiträge lediglich in ihrem Haushalt separierte[8].

Gleichermaßen hat der Bundesfinanzhof die -zwischen den dortigen Beteiligten unstreitige- Würdigung nicht beanstandet, dass Auszahlungen aus dem seit dem 1.07.1974 geltenden Versorgungssystem der OECD, das im Wesentlichen dem der EPO entspricht, als Arbeitslohn zu behandeln sind[9]. Dies gilt auch für Auszahlungen aus dem seit dem 1.07.1974 geltenden Versorgungssystem der Europäischen Weltraumorganisation -ESA-[10].

Der BFH hat neben der -im dortigen Verfahren nicht streitigen- Grundpension auch den einem ehemaligen Bediensteten des EPA gezahlten und zum Ausgleich der nationalen Besteuerung dienenden sog. „Teilausgleich“[11] als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit angesehen[12]. Der Bundesfinanzhof hat sich in dieser Entscheidung ausdrücklich und tragend zur Qualifizierung dieser Zahlungen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit geäußert[13].

Danach sind auch die von der EPO gezahlten Ruhestandsbezüge als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit anzusehen[14].

Die Ruhestandsbezüge sind nicht nach Art. 16 Abs. 1 PPI von der Einkommensteuer befreit, was aus Art. 16 Abs. 2 PPI folgt und zwischen den Verfahrensbeteiligten auch nicht streitig ist. Das Besteuerungsrecht liegt insoweit beim Ansässigkeitsstaat des ehemaligen Bediensteten[15].

Ebenso wie bei den seit 1974 geschaffenen Versorgungssystemen der NATO, der OECD und der ESA ist auch bei der EPO das für die Altersversorgung der Bediensteten vorgesehene Kapital rechtlich im Vermögen der jeweiligen Organisation geblieben; den Bediensteten ist nicht etwa ein unmittelbarer und unentziehbarer Rechtsanspruch gegen einen vom Arbeitgeber verschiedenen Dritten eingeräumt worden. Dies ist nach der vorstehend dargestellten Rechtsprechung in derartigen Fällen tragend für die Zuordnung der Ruhestandsbezüge zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

Vorliegend werden die Ruhestandsbezüge durch die Organisation gezahlt, der der Bedienstete im Zeitpunkt der Beendigung seiner Tätigkeit angehört hat (Art. 37 Abs. 2 i.V.m. Art. 31 Abs. 1 VersO), und zwar zu Lasten des Haushalts dieser Organisation (Art. 40 Abs. 1 VersO). Der Reservefonds, in dem die für die Altersversorgung der Bediensteten erforderlichen Mittel angespart werden, besitzt nach der ausdrücklichen Regelung des Art. 2 Abs. 1 Reservefonds-Statut keine eigene Rechtsfähigkeit. Er dient lediglich der Sicherung des Versorgungssystems durch die Bildung von angemessenen Rücklagen (Art. 2 Abs. 2 Reservefonds-Statut), also einem rein organisationsinternen Zweck. Die Geld- und Sachanlagen des Fonds bleiben ausdrücklich im Vermögen der EPO (Art. 3 Abs. 5 Reservefonds-Statut). Die Einordnung des Reservefonds als zweckgebundenes Sondervermögen hat lediglich organisatorische Gründe, aber keine rechtliche Außenwirkung. Dies wird dadurch bestätigt, dass Art. 38 Buchst. b EPÜ die Mittel des Pensionsreservefonds als „eigene Mittel der EPO“ bezeichnet.

Der gesonderte Ausweis im Haushaltsplan ist schon in der früheren Bundesfinanzhofsrechtsprechung als rechtlich unerheblich angesehen worden[16].

Diese eindeutigen Regelungen lassen nur den vom Finanzgericht zutreffend gezogenen Schluss zu, dass der Betrag der Gehaltskürzung während der aktiven Berufstätigkeit des Beschäftigten im Vermögen seines Dienstherrn geblieben ist, dem Beschäftigten seinerzeit also noch nicht zugeflossen ist und daher der -erst- während des Ruhestands ausgezahlte Betrag als Versorgungsbezug anzusehen ist.

Ob die für Zwecke der Altersvorsorge vorgenommene Gehaltskürzung der internen Steuer der EPO unterlegen hat -wozu das Finanzgericht keine Feststellungen getroffen hat und die Beteiligten nichts vorgetragen haben-, ist für die Entscheidung des Streitfalls unerheblich. Denn ohne eine Beteiligung der deutschen Gesetzgebungsorgane wird die Anwendung der Grundsätze des deutschen Einkommensteuerrechts zur Abgrenzung zwischen Renten und Versorgungsbezügen nicht dadurch beeinflusst oder modifiziert, dass eine internationale Organisation ihre autonomen steuerrechtlichen Regelungen in einer bestimmten Weise auf diese Bezüge anwendet[17].

Die Steuerpflicht erstreckt sich auf alle Bestandteile der Altersbezüge (Grundpension, Haushalts- und Kinderzulage sowie Steueranpassung). Insbesondere ist die Steueranpassung nicht etwa mit einer nicht steuerbaren Steuererstattung zu vergleichen. Sie ist eine originäre Leistung des Arbeitgebers, die dieser lediglich mit Rücksicht auf die von einem Dritten, nämlich dem inländischen Finanzamt, erhobene Steuer erbringt.

Die hiergegen erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.

Soweit der Beschäftigte meint, die Altersversorgungssysteme der EPO und der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung seien vergleichbar, kann der Bundesfinanzhof dem nicht folgen. Im Gegensatz zu den Behauptungen des Beschäftigten besteht bei der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung weder ein Kapitalstock noch finanziert sich die Rentenversicherung -jeweils im Gegensatz zur Altersversorgung der EPO-Bediensteten- in einem nennenswerten Umfang aus Vermögenserträgen. Der entscheidende Unterschied liegt vielmehr darin, dass der jeweilige Arbeitgeber eines rentenversicherungspflichtig Beschäftigten mit der Zahlung des Rentenversicherungsbeitrags nicht nur organisatorisch, sondern auch rechtlich den Zugriff auf diesen Betrag verliert. Demgegenüber verbleiben die dem Reservefonds der EPO zugeführten Beträge rechtlich im Vermögen dieser Organisation.

Dem steht nicht entgegen, dass nach Art. 1, 2 DurchfAbk Ansprüche zwischen den Altersversorgungssystemen der gesetzlichen Rentenversicherung und der EPO übertragen werden können. Diese Übertragung geschieht im Wege der Auszahlung der -um Zinsen erhöhten- tatsächlichen Rentenversicherungsbeiträge bzw. des versicherungsmathematischen Gegenwerts der bei der EPO bestehenden Ruhegehaltsansprüche. Eine solche Ermittlung (tatsächlicher) Beitragszahlungen der Vergangenheit oder (fiktiver) versicherungsmathematischer Gegenwerte ist bei jedem Altersversorgungssystem möglich; dies kann daher nicht für die Gleichartigkeit der Systeme sprechen. Auch die Nachversicherung ausgeschiedener Beamter nach § 8 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch stellt eine Form der Überführung von Versorgungsanwartschaften von dem einen System in ein anderes dar. Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, die deutschen Systeme der Beamtenversorgung und der gesetzlichen Rentenversicherung seien gleichartig.

Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass ein Bediensteter des EPA -insoweit ähnlich wie ein gesetzlich Rentenversicherter- bei einem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis vor dem Ende der Wartezeit Anspruch auf die Auszahlung derjenigen Beträge hat, die für Zwecke der Altersvorsorge von seinem Gehalt abgezogen worden sind. Wenn es zur Auszahlung derartiger Beträge kommt, ist dies nach den für das jeweilige System geltenden Grundsätzen einkommensteuerrechtlich zu würdigen. Es kann aber nicht umgekehrt aus dem Umstand, dass -in Ausnahmefällen- vom Gehalt abgezogene Beträge zurückgezahlt werden können, darauf geschlossen werden, beide Systeme seien auch in den für die einkommensteuerrechtliche Einordnung maßgebenden Kriterien gleichartig.

Die Besteuerung der Ruhestandsleistungen als Versorgungsbezüge verletzt weder die Immunität der EPO noch ist dies aus einem anderen Grund völkerrechtswidrig.

Abs. 2 PPI gestattet die Besteuerung von Ruhestandsbezügen ausdrücklich. Mögliche Unterschiede in den nationalen Einkommensteuerrechtsordnungen in Bezug auf die Ruhegehälter der früheren Bediensteten der EPO werden durch das EPÜ nicht untersagt. Vielmehr nimmt § 42 VersO diese Unterschiede ausdrücklich auf und erkennt sie an, indem den Bediensteten ein Steuerausgleich gewährt wird, der von der Höhe ihrer individuellen Einkommensteuerbelastung abhängig ist, die sich wiederum nach dem Steuerrecht des Wohnsitzstaats richtet.

Im wirtschaftlichen Ergebnis wird die EPO durch die Gewährung des Steuerausgleichs noch nicht einmal belastet, so dass die nationale Besteuerung schon deshalb keine negative Auswirkung auf die EPO als solche hat. Denn gemäß der im Streitjahr 2005 noch anwendbaren -zwischenzeitlich aufgehobenen- Regel 42/6 der Durchführungsvorschriften zur VersO ist der Steuerausgleich von dem Staat zu finanzieren, in dem der Anspruchsberechtigte für den betreffenden Zeitraum einkommensteuerpflichtig ist[18].

Das Finanzgericht hat auch nicht dadurch gegen völkerrechtliche Auslegungsgrundsätze verstoßen, dass es dem Einwand des Beschäftigten, Art. 64 Abs. 1 Satz 2 des Statuts der Beamten des EPA schließe einen Verzicht auf die Dienstbezüge aus, nicht gefolgt ist. Die vom Beschäftigten angeführte Vorschrift berührt nicht die Befugnis des Dienstherrn, die Höhe der Bezüge eigenständig zu regeln. Sie steht daher auch der Einbehaltung eines Teils der Nominalbezüge für Zwecke der Altersversorgung des Bediensteten -die schon begrifflich einem Verzicht des Bediensteten auf die Bezüge nicht gleichgeachtet werden kann- nicht entgegen.

Im Übrigen übersieht der Beschäftigte, dass die zugunsten der EPO vorgesehenen Vorrechte und Immunitäten gemäß Art.19 Abs. 1 Satz 1 PPI nicht dazu bestimmt sind, den Bediensteten des EPA persönliche Vorteile zu verschaffen. Vielmehr sind sie lediglich zu dem Zweck vorgesehen, die ungehinderte Tätigkeit der Organisation und die vollständige Unabhängigkeit der Personen, denen sie gewährt werden, zu gewährleisten (Art.19 Abs. 1 Satz 2 PPI). Nach Eintritt in den Ruhestand kann eine Besteuerung nach den allgemeinen Regeln, die für alle in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtigen gelten, aber die Tätigkeit der EPO und die Unabhängigkeit der für sie (aktiv) tätigen Personen nicht berühren.

Hinzu kommt, dass auch die vom Beschäftigten begehrte Einordnung als Rente der Basisversorgung mittel- bis langfristig zu einer vollen Besteuerung der Auszahlungen führen würde. Der steuerfreie Rententeilbetrag -auf dessen Gewährung das wirtschaftliche Interesse des vorliegenden Verfahrens gerichtet ist- wird in den Fällen des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG nur noch für eine Übergangszeit gewährt.

Abs. 2 VersO ordnet lediglich eine Garantiehaftung der Mitgliedstaaten für die Versorgungsleistungen an. Anders als der Beschäftigte meint, bewirkt diese Regelung aber nicht, dass die Versorgungsverpflichtung von Anfang an auf die Mitgliedstaaten -als rechtlich eigenständige Dritte- übergeht.

Die vom Beschäftigten gerügte Ungleichbehandlung im Verhältnis zu nachversicherten ausgeschiedenen Beamten ist nicht gegeben. Der Beschäftigte ist vielmehr mit einem Beamten zu vergleichen, der unmittelbar aus dem aktiven Dienst bei einem inländischen Dienstherrn in den Ruhestand tritt. In beiden Fällen ist es während der aktiven Tätigkeit nicht zu einem Zufluss von Altersvorsorgeleistungen des Dienstherrn gekommen; in beiden Fällen ist die Pension nach § 19 EStG zu versteuern.

Mit einem in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversicherten ausgeschiedenen Beamten können nur solche ehemaligen Bedienstete der EPO verglichen werden, die vorzeitig aus dem aktiven Dienst ausgeschieden sind und ihre bei der EPO bestehende Versorgungsanwartschaft gemäß Art. 2 DurchfAbk auf die gesetzliche Rentenversicherung haben übertragen lassen. Ohne dass der Bundesfinanzhof darüber vorliegend abschließend entscheiden müsste, spricht indes Vieles dafür, in einem solchen Fall die später bezogene Rente -nicht anders als bei einem nachversicherten ausgeschiedenen Beamten- nach den Grundsätzen des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG zu behandeln.

Soweit der Beschäftigte auf das BFH, Urteil vom 15.07.1977 – VI R 109/74[19] verweist, ist diese Entscheidung durch nachfolgende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs überholt[20]. Im Übrigen hatte der Bundesfinanzhof in seinem Urteil in BFHE 123, 37, BStBl II 1977, 761 über einen Sonderfall zu entscheiden: Üblicherweise sind die Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes so organisiert, dass sie von den Arbeitgebern, die Mitglied der jeweiligen Kasse sind, rechtlich getrennt sind. Im dortigen Streitfall handelte es sich aber ausnahmsweise um eine rechtlich unselbständige Kasse, so dass der Bundesfinanzhof die Gleichbehandlung aller Zusatzversorgungskassen in den Vordergrund gestellt hat.

Wie die Versorgungssysteme anderer internationaler Organisationen sowie die eigene Altersversorgung der Angestellten der deutschen Rentenversicherungsträger in das deutsche Einkommensteuerrecht einzuordnen sind und ob die von der Finanzverwaltung praktizierte Einordnung dieser Systeme zutreffend ist, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 23. Februar 2017 – X R 24/15

  1. BGBl II 1976, 649, 826[]
  2. BGBl II 1976, 649, 985[]
  3. BGBl II 1996, 961[]
  4. grundlegend BFH, Urteile vom 07.02.1990 – X R 36/86, BFHE 161, 16, BStBl II 1990, 1062, und in BFHE 216, 124, BStBl II 2007, 402[]
  5. BFH, Urteil in BFHE 216, 124, BStBl II 2007, 402, unter II. 2.a, b[]
  6. zum Ganzen BFH, Urteile vom 20.07.2005 – VI R 165/01, BFHE 209, 571, BStBl II 2005, 890, unter II. 5., m.w.N.; und vom 29.07.2010 – VI R 39/09, BFH/NV 2010, 2296, Rz 28 f.[]
  7. BFH, Urteil in BFHE 161, 16, BStBl II 1990, 1062[]
  8. vgl. BFH, Urteil in BFHE 216, 124, BStBl II 2007, 402; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14.10.2010 2 BvR 367/07, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2011, 88; ebenso BFH, Beschluss vom 27.11.2013 – X B 192/12, BFH/NV 2014, 337[]
  9. BFH, Urteil in BFHE 161, 16, BStBl II 1990, 1062, unter 2.a[]
  10. BFH, Beschluss vom 22.07.2015 – X B 172/14, BFH/NV 2015, 1390[]
  11. im hiesigen Streitjahr 2005 noch als „Steueranpassung“ bezeichnet[]
  12. BFH, Urteil vom 07.07.2015 – I R 38/14, BFH/NV 2016, 180, Verfassungsbeschwerde anhängig unter 2 BvR 49/16[]
  13. vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2016, 180, Rz 9[]
  14. ebenso BMF, Schreiben vom 03.08.1998, BStBl I 1998, 1042, Tz. 9; und vom 01.06.2015, BStBl I 2015, 475, Rz 168[]
  15. BFH, Urteil vom 11.11.2015 – I R 28/14, BFH/NV 2016, 919, Rz 11[]
  16. vgl. das zum NATO-Pensionssystem ergangene BFH, Urteil in BFHE 216, 124, BStBl II 2007, 402, unter II. 3.a[]
  17. BFH, Urteile in BFH/NV 2016, 180, Rz 15 ff., und in BFH/NV 2016, 919, Rz 16[]
  18. vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2016, 180, Rz 27[]
  19. BFHE 123, 37, BStBl II 1977, 761[]
  20. vgl. insbesondere die BFH, Urteile in BFHE 209, 571, BStBl II 2005, 890, und in BFH/NV 2010, 2296, sowie die Urteile, die wiederum in diesen Entscheidungen zitiert werden[]